Job Ghosting im Recruiting

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Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass sich Kandidat:innen, die ohne Absage nicht zum Vorstellungsgespräch erscheinen, in letzter Zeit häufen. Das ist ärgerlich und kostet Sie unnötig Zeit. Noch schlimmer ist es natürlich, wenn der Arbeitsvertrag bereits unterschrieben ist, am ersten Tag des oder der Neuen aber niemand auftaucht. Recruiter und Arbeitgeber sehen sich immer häufiger mit Job Ghosting und sogenannten No-Shows konfrontiert. Wir klären auf und geben Ihnen Tipps, wie Sie diese Situationen vermeiden.

Ghosting: Ein modernes Phänomen

Der Begriff des Ghostings tauchte erstmals in Zusammenhang mit Dating und Beziehungen auf. Unter dem Phänomen versteht man, dass Bekanntschaften oder Dating-Partner:innen plötzlich und ohne Vorwarnung den Kontakt abbrechen. Meist gibt es auch keinen konkreten Anlass. Der oder die Ghostende ist weder persönlich noch telefonisch zu erreichen. Er oder sie antwortet nicht auf Nachrichten oder blockiert den oder die Andere:n in Messengern und Sozialen Medien. Expert:innen sehen im Ghosting eine für Abbrecher:innen bequeme Methode, eine Beziehung ohne die normalerweise damit einhergehende Konfrontation zu beenden. Das vermeidende Verhalten kann unter anderem auf fehlende Konfliktfähigkeit, Kommunikationsskills oder Kompetenzen hinsichtlich der eigenen Bedürfnisse und Gefühle hinweisen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass Online-Partnerbörsen mit ihrem großen Angebot potenzieller Partner:innen und einer gewissen Unverbindlichkeit Ghosting begünstigen. Da die Suche nach einem neuen Arbeitgeber ebenfalls zunehmend online aus einem großen Angebot geschieht, nimmt auch hier das Ghosting zu.

„Unverbindlichkeit begünstigt Ghosting“

No-Shows: In den USA ein alter Hut

Der Term No-Shows stammt aus Hotellerie und Gastronomie. Dort bezieht er sich auf Gäste, die trotz Buchung oder Reservierung nicht auftauchen. Mit der Zeit übernahmen Geschäftsführer und Personalverantwortliche den Begriff für Angestellte, die ohne Ankündigung oder Entschuldigung nicht zu ihrer Schicht erschienen. Vor allem in einfachen Arbeitsverhältnissen mit hoher Fluktuation und geringer Bezahlung sind die sogenannten No-Shows, No-Calls ein weitverbreitetes und ernsthaftes Problem. In Deutschland beziehen sich Job No-Shows hingegen vor allem auf Kandidat:innen, die trotz erfolgreichem Bewerbungsverfahren und unterschriebenem Arbeitsvertrag am ersten Tag nicht erscheinen. Zusammen mit Job Ghosting im Bewerbungsprozess stellen sie für Recruiter ein großes Ärgernis dar. Schließlich stecken Sie in alle Bewerber:innen Zeit und Ressourcen. Während Sie Absagen innerhalb des Auswahlverfahrens mit anderen vielversprechenden Kandidat:innen ausgleichen können, sieht das bei Job No-Shows und No-Calls zum Arbeitsantritt anders aus: Dann haben die anderen Bewerber:innen bereits Absagen bekommen und Sie müssen die Stelle im schlimmsten Fall komplett neu ausschreiben.

Job No-Shows: Ein wachsendes Problem

Befragungen in den USA haben ergeben, dass etwa 83 % der Unternehmen schon einmal von Bewerber:innen geghostet wurden. Die meisten von ihnen stufen das Phänomen als vergleichsweise neu ein – ihre Ghosting-Erfahrungen stammen ausschließlich aus dem Zeitraum ab 2017. Davor war das Verhalten bei Jobsuchenden scheinbar weniger weit verbreitet. Trotz der großen Zahl an Unternehmen, die mit Job Ghosting zu kämpfen hat, gaben nur 18 % der interviewten Jobsuchenden an, schon einmal ein Unternehmen geghostet zu haben. Entweder wollten sie dieses Verhalten nicht zugeben, stuften den Kontaktabbruch nicht als Ghosting ein oder es waren immer die gleichen Kandidat:innen, die den Verantwortlichen im Recruiting Kopfschmerzen bereiteten.

Die häufigsten Gründe für Job No-Shows

In dem Maße, indem Business-Ghosting und Job No-Shows zunehmen, beschäftigt sich auch die Forschung mit ihnen. Wirtschaftspsychologen untersuchen das Phänomen. Dabei stehen sowohl die Gründe der Ghostenden als auch die Auswirkungen ihres Verhaltens im Vordergrund. Daraus lassen sich wiederum wirkungsvolle Maßnahmen ableiten, um Job-Ghosting vorzubeugen.

Besseres Jobangebot eines anderen Unternehmens

Der Klassiker im Business-Ghosting sind Bewerber:innen, die möglichst viele Vorstellungsgespräche wahrnehmen und sich am Ende das beste Angebot schnappen. Manchmal nutzen sie vorliegende Arbeitsverträge auch als Druckmittel für ihren derzeitigen Arbeitgeber, um eine Gehaltserhöhung für ihre derzeitige Position zu bewirken. Dass Jobsuchende heute mehrgleisig fahren, ist nicht ungewöhnlich. Trotzdem bleibt es natürlich ärgerlich, wenn sie sich einfach nicht mehr melden.

Verunsicherung und Angst durch mangelnde Kommunikation

Die Bewerbung bei einem unbekannten Unternehmen ist immer mit einem Schritt aus der eigenen Komfortzone verbunden. Während einige Bewerber:innen damit mühelos klarkommen, fühlen sich andere desorientiert und verloren in der neuen, unbekannten Situation. Erhalten Sie von der Recruiting-Abteilung keine klaren Ansagen und Anweisungen, gehen sie lieber wieder zurück in die Sicherheit ihres alten Jobs. Mitunter ist diese Form des Versagens mit Scham behaftet, was das Bedürfnis, einfach als Geist zu verschwinden, noch verstärkt.

Veränderte Lebensumstände

Ein Familienmitglied wird plötzlich schwer krank, hat einen Unfall oder stirbt sogar – in einer solchen Situation kommt es vor, dass Kandidat:innen den neuen Job, den Bewerbungs- oder Auswahlprozess einfach komplett vergessen. Wahrscheinlich werden solche extremen Ereignisse aber häufiger als Ausrede genutzt, als sie tatsächlich vorkommen.

Schlechte Candidate Experience

Kandidat:innen, die aufgrund negativer Erfahrungen im Bewerbungs- und Auswahlprozess ein schlechtes Bauchgefühl hinsichtlich ihrer neuen Stelle haben, drücken dies durchaus in Form von Business-Ghosting und Job No-Show aus. Oft können Sie nicht genau benennen, warum sie doch kein Interesse haben und entscheiden sich deswegen für den einfachen Weg, sich nicht mehr zu melden.

Es passt einfach nicht

Die Stellenausschreibung klang wie ein Traum, beim Vorstellungsgespräch stellte sich jedoch heraus, dass die Räumlichkeiten keineswegs so modern wie angepriesen sind und der cholerische Chef flache Hierarchien so gar nicht ausstehen kann. Nicht jede:r Kandidat:in hat jedoch den Mut, in einer solchen Situation eine klare Absage zu formulieren. Gerade Bewerber:innen, die selbst schon von Unternehmen geghostet wurden, zahlen es bei Differenzen gerne mit gleicher Münze zurück.

Die 5 besten Tipps gegen Ghosting im Recruiting

Manches liegt einfach nicht in Ihrer Hand. Ganz vermeiden lassen sich Business-Ghosting und Job No-Shows wahrscheinlich nicht. Bereits mit einigen einfachen Tricks lässt sich die Zahl der Bewerber:innen, die kommentarlos verschwinden, aber deutlich senken.

1. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran

Indem Sie klare Kommunikationsprozesse im Bewerbungsverfahren etablieren, gehen Sie mit gutem Beispiel voran: Informieren Sie Bewerber:innen von Anfang an ausführlich und transparent über die Abläufe, wichtige Termine und Deadlines. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Kandidat:innen diese Offenheit übernehmen und Ihnen ehrliche Zu- und Absagen zukommen lassen. Erinnerungen für Termine können die Quote zusätzlich verbessern. Nicht zuletzt bauen Sie mit einer umfassenden Kommunikationsstrategie Unsicherheiten bei Bewerber:innen ab, vermitteln Sicherheit und legen den Grundstein für eine auf gegenseitigem Vertrauen basierende Geschäftsbeziehung.

2. Optimieren Sie Ihre Stellenanzeigen

Mit einer klar formulierten und ausführlichen Stellenanzeige mit hohem Informationsgehalt schaffen Sie von Anfang an Klarheit. Eine vollständige Beschreibung der Stelle und ein eindeutiges Anforderungsprofil reduzieren die Anzahl an Bewerber:innen, die nach dem Kennenlernen abspringen, weil die Stelle schlicht und einfach nicht zu ihnen passt. Das senkt automatisch auch die Quote an Business-Ghosting und Job No-Shows.

3. Verschlanken Sie Bewerbungs- und Auswahlprozesse

Je länger der Prozess der Rekrutierung dauert, desto mehr kann Ihren Wunschkandidat:innen dazwischen kommen und desto wahrscheinlicher ist es, dass sie in der Zwischenzeit einen besseren Arbeitgeber finden. Anstatt Auswahlprozesse in die Länge zu ziehen, sollten Sie diese komprimieren und lange Wartezeiten verhindern. Das gibt Ihren zukünftigen Mitarbeiter:innen weniger Gelegenheiten, sich noch anders zu entscheiden. Gleichzeitig unterstreicht es Ihre ernsten Absichten und Ihre Verlässlichkeit als Unternehmen.

4. Stellen Sie Ihr Unternehmen realistisch dar

Wer in der Stellenanzeige das Blaue vom Himmel verspricht, dieser Darstellung im Vorstellungsgespräch aber nicht standhält, muss häufiger mit Business-Ghosting rechnen. Schließlich haben Sie in einem solchen Fall als Arbeitgeber zuerst die Erwartungen Ihrer Kandidat:innen enttäuscht. Warum sollten diese es Ihnen also nicht gleichtun. In Zeiten des Fachkräftemangels und einem reichen Angebot an offenen Stellen werden unzuverlässige Unternehmen von Bewerber:innen sofort gnadenlos aussortiert.

5. Onboarding schafft Verantwortungsgefühl und verhindert Job No-Show

Wenn Sie unseren Blog schon länger verfolgen wissen Sie sicherlich, wie wichtig ein ausführliches Onboarding für die Mitarbeiterbindung ist. Indem Sie neue Mitarbeiter:innen möglichst früh mit ihrem Team vertraut machen, schaffen Sie aber auch ein Gefühl der Verantwortung gegenüber den zukünftigen Kolleg:innen und im besten Fall auch gegenüber Ihrem Unternehmen. Arbeitnehmer:innen, die sich schon vor ihrem ersten Arbeitstag eingebunden fühlen, werden weniger wahrscheinlich einfach nicht erscheinen.

Fazit: Business-Ghosting lässt sich verhindern

Jahrzehntelang waren es die Unternehmen, die Bewerber:innen mit einem vagen „Wir melden uns…“ abspeisten und nie wieder von sich hören ließen. Da kann man es als ausgleichende Gerechtigkeit sehen, dass sich nun Jobsuchende in der besseren Position wiederfinden und zurückschlagen. Nüchtern betrachtet verlieren beim Ghosting im Bewerbungsprozess und vor allem beim Job No-Show aber beide Seiten. Indem Unternehmen an ihrer Candidate Experience feilen und neue Mitarbeiter:innen bereits früh integrieren, können sie Business-Ghosting effektiv entgegenwirken.

FAQ - Häufig gestellte Fragen

Was sind Job No-Shows?

Als Job No-Shows bezeichnen Recruiting-Experten Kandidat:innen, die nicht zum Vorstellungsgespräch oder trotz unterschriebenem Arbeitsvertrag nicht zu ihrem ersten Arbeitstag erscheinen. In diesem Zusammenhang ist auch häufig von Job- oder Business-Ghosting die Rede.

Wie häufig ist Ghosting im Recruiting?

In Befragungen geben 83 bis 95 % der Unternehmen an, dass sie bereits mit Business-Ghosting konfrontiert wurden. Das Phänomen ist aber vergleichsweise jung und war bis vor einigen Jahren kaum ein ernstzunehmendes Problem.

Was tun gegen Ghosting bei Bewerbern?

Um Business-Ghosting und Job No-Shows vorzubeugen, sollten Unternehmen vor allem ihre Kommunikation während des Bewerbungsprozesses und die Candidate Experience im Allgemeinen verbessern. Oft ist es auch hilfreich, Stellenanzeigen möglichst ausführlich und detailliert zu gestalten, damit Bewerber:innen keine falschen Vorstellungen haben.

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